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Wo sind die 182 untergetauchten Rechtsextremisten?

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Springerstiefel bei Demo der Rechten SzeneWieviele Neonazis per Haftbefehl gesucht werden, wissen die Behörden noch immer nicht genau. Klar ist bloß: Seit der letzten Inventur sind es deutlich mehr geworden.

Seit einem Jahr fragt das Bundesinnenministerium bei Polizeibehörden ab, wieviele Personen mit rechtem Hintergrund aktuell zur Fahndung ausgeschrieben sind. Der Fall des mutmaßlichen Terrortrios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hat Politiker und Polizei hellhörig gemacht. Das NSU-Trio war 1998 untergetaucht und erst 2011 wieder entdeckt worden. Die Befürchtung: Aus einem Neonazi ohne festen Wohnsitz könnte jederzeit wieder ein Killer werden. In der Antwort auf eine Anfrage (pdf) der Fraktion Die Linke im Bundestag stehen die frischen Zahlen. Und die sind besorgniserregend.

Waren Ende Juni 2012 noch 118 Rechtsextremisten verschollen, wurde zum aktuellen Stichtag 30. November 2012 nach 266 "Personen mit Bezügen zur PMK-rechts" (PMK steht für "Politisch motivierte Kriminalität") gefahndet. Die Delikte reichten von Totschlag bis zu Betrug. In 44 Fällen ging es um eine "politisch rechts motivierte Straftat", in weiteren 49 Fällen um eine Gewalttat, die in fünf Fällen politisch motiviert war.

Es gab zahlreiche Fahndungserfolge: Am 22. Februar 2013 wurde nur noch 182 Personen gefahndet. Die anderen 84 waren geschnappt worden oder hatten sich gestellt. Ebenso positiv: Von den 118 Altfällen aus dem letzten Jahr hatte sich rund die Hälfte erledigt, nämlich 62 Haftbefehle. In 38 Fällen mussten die Gesuchten ins Gefängnis, in zwei weiteren wurde der Aufenthaltsort ermittelt.

Die Altlasten auf den Fahndungslisten der Polizei führt die Bundesregierung erstmals getrennt auf. Je ein Neonazi wird seit 2001 und 2003 vergeblich gesucht, zwei Personen werden seit 2005 und sechs seit 2006 gesucht.

Was sagen diese Zahlen? "Dass im Jahr 2012 fast doppelt so viele Haftbefehle erlassen wurden wie im Jahr zuvor, deutet zwar darauf hin, dass der Verfolgungswille gegen Nazis zugenommen hat", sagt die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke. Aber das "Chaos bei der Erfassung" bestehe weiterhin. Nicht nachvollziehbar ist in der Tat, wie in der langen Liste der 266 Haftbefehle je nach Bundesland das Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation – beispielsweise ein offen getragenes Hakenkreuz – mal als "sonstige" und mal als "politisch motivierte Kriminalität" gezählt wird.

Aus vier getrennt geführten Datenbanken wurden die Zahlen abgerufen:

  • 30 der im November 2012 gesuchten 266 Personen sind in der letztes Jahr gestarteten Rechtsextremismusdatei erfasst.
  • Drei der 266 stehen außerdem in der Gewalttäterdatei Rechts.
  • 83 der 266 tragen den Hinweis "Straftäter rechtsmotiviert" im polizeilichen Informationssystem INPOL-Z. 65 sind mit dem Hinweis "gewalttätig" versehen.
  • 91 (Stand: Februar 2013) der 266 sind im Dateisystem NADIS-WN des Bundesamts für Verfassungsschutz als Rechtsextremisten gespeichert, von denen 28 als "grundsätzlich gewalttätig" gelten. Neun von ihnen schlägt der Verfasssungsschutz der Kameradschaftsszene zu, vier der Nazi-Musikszene und fünf der NPD oder ihrem Umfeld.

Fazit: Erkenntnisse über untergetauchte Nazis gibt es viele, nur nicht auf Knopfdruck und schon gar nicht in Echtzeit. In einem halben Jahr bei der Vorlage der aktualisierten Zahlen lässt sich überprüfen, ob die Behörden dann schlauer sind.

von Dirk Liedtke

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Foto: dpa


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